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Medizintechnik von morgen

Quantensprung in der Operationsmikroskopie: Das RoboticScope passt sich den ergonomischen Bedürfnissen der Chirurg:innen an und lässt sich berührungslos steuern.

Lesedauer: 4 Minuten

Aktualisiert am 29.09.2023

Die Mikrochirurgie mit Produkten zu revolutionieren, die sich den Chirurg:innen anpassen – nicht umgekehrt, lautete 2017 die Vision, die Gregor Burger, Markus Hütter und Michael Santek dazu bewegte, ihr Unternehmen BHS Technologies zu gründen.

Mit ihrem ersten auf dem Markt verfügbaren Medizinprodukt, dem RoboticScope, ist es BHS Technologies bereits gelungen, einen völlig neuen Weg für die Mikroskopie bei mikrochirurgischen Eingriffen zu eröffnen. „Manchmal genügt schon ein Perspektivenwechsel, um die Dinge in einem neuen Licht zu sehen“, freut sich Co-Gründer Gregor Burger über den großen Anklang, den das Produkt weltweit findet.

Innovative Ideen

Insgesamt 38 Jahre Berufserfahrung und Know-how sammelten die BHS-Gründer, bevor sie sich in das Abenteuer Selbstständigkeit wagten. „Wir wollten am Anfang wenig Risiko eingehen und haben nebenher in unseren vorherigen Jobs weitergearbeitet“, berichtet Burger von der Gründungsphase des Unternehmens. In dieser Zeit bemerkte das Trio, dass operierende Chirurg:innen stets über längere Zeit verdrehte Körperhaltungen einnehmen müssen, um das Operationsgebiet permanent durch das Mikroskop im Auge behalten zu können.

Während einer Beschäftigung bei MED-EL fiel einem der Gründer auf, dass sich in der Entwicklung von Hörimplantaten eine Menge bewegt. Die Art und Weise, wie während des Einsetzens der Hörimplantate mikroskopiert wird, blieb hingegen unverändert. „Mediziner:innen die bei ihrer Arbeit auf ein Mikroskop angewiesen sind, erkennt man oft bereits an ihrer Körperhaltung. Da gibt es einen Verbesserungsbedarf, die Welt der Mikrochirurgie braucht etwas neues“, waren sich die drei Gründer einig. So wurde die Idee für das RoboticScope geboren. Mittlerweile sind es etwa 40 Mitarbeitenden, die an neuen Technologien forschen, bestehende medizintechnische Produkte des Unternehmens weiterentwickeln und diese vermarkten.

RoboticScope und Übungsmaterie
© WK Tirol Das RoboticScope umfasst einen Roboterarm samt Kamerakopf, der sich präzise über das Head-Mounted Display (HMD) steuern lässt.


RoboticScope

Das bisher bemerkenswerteste Produkt von BHS Technologies ist das RoboticScope. Das digitale Mikroskop ist das weltweit erste, das sich an die ergonomischen Bedürfnisse der Chirurg:innen anpasst und sich berührungslos steuern lässt. Das RoboticScope umfasst einen sechsachsigen Roboterarm, der mit einem Kamerakopf bestückt wird sowie ein HeadMounted Display (HMD), ein „Headset“ durch das die operierende Person hindurch blickt und steuert. Der Roboterarmsamt Kamerakopf befindet sich während der OP über dem Operationsfeld und kann leicht und exakt in Positionen bewegt werden, die mit einem herkömmlichen Mikroskop nur schwer zu erreichen sind.

Roboterarm und Kamera werden dabei von den Operateur:innen per Kopfgeste gesteuert. Dies gelingt mittels des zugehö- rigen HMDs, das an eine VR-Brille erinnert und per Kabel mit dem Roboterarm verbunden ist. Um die Steuerung zu aktivieren, muss nur ein Fußschalter am Boden gedrückt werden. „Zwei digitale Mikrodisplays direkt vor den Augen ermöglichen ein 3D-Videobild des Operationsfeldes in Echtzeit. Mittels Sensoren werden die Kopfbewegungen der Chirurg:innen dann von einer Software interpretiert. Roboterarm und Kamerakopf führen daraufhin präzise die entsprechende Bewegung aus“, beschreibt Gregor Burger die Vorteile des RoboticScopes. Auf dieselbe Weise kann während der Operation zwischen allen wichtigen Funktionen des Mikroskops gewählt werden. „Ein Wechsel der Perspektive, Vergrößern oder Fokussieren – all dies ist möglich, ohne die Hände aus dem Operationsfeld nehmen zu müssen“, erklären die Entwickler von BHS Technologies.

Mit etwa 600 Gramm wiegt das Okular dabei samt Kopfhalterung nicht mehr als ein herkömmlicher Skihelm und ist zudem perfekt ausbalanciert. Durch die physische Trennung des Mikroskops (Kamerakopf) vom HMD ist es Mediziner:innen so möglich, während ihrer Arbeit eine ergonomische Körperhaltung beizubehalten. Zudem können Operateur:innen jederzeit am Okular vorbeischauen, um das Operationsfeld aus einer natürlichen Perspektive betrachten zu können, ohne das Mikroskop berühren zu müssen. Das ermöglicht es den Chirurg:innen, noch ergonomischer zu arbeiten und sich währenddessen auf das Wichtigste zu konzentrieren – die Patient:innen.

RoboticScope in Benutzung
© WK Tirol WK-Präsident Christoph Walser (r.) überzeugte sich bei einem Betriebsbesuch unter Anleitung von Armin Bauhofer (l.) und Gregor Burger (m.) selbst von der zukunftsweisenden Technik.


Paradigmenwechsel

Das RoboticScope ist als Medizinprodukt der Klasse I CE zertifiziert und darf somit in der Europä- ischen Union ohne Einschränkungen bei chirurgischen Eingriffen eingesetzt werden. „Mit dem RoboticScope haben wir einen Nerv getroffen“, schätzt Gregor Burger das große internationale Interesse am Flaggschiff-Produkt von BHS Technologies ein.

Weltweites Interesse besteht an der innovativen Technologie aus Tirol. So kommt der RoboticScope bereits in Krankenhäusern in über 20 Staaten zum Einsatz. Neben der Erleichterung, die die neue Technologie den Operateur:innen bei ihrer Arbeit gewährt, lässt sich das große Interesse am Gerät vor allem durch seine vielseitigen Einsatzmöglichkeiten erklären. „Mit seinen Zusatzfunktionen kann das RoboticScope an die Bedürfnisse verschiedener medizinischer Disziplinen angepasst und so speziell für die Bereiche der Neurochirurgie, plastische Chirurgie und den HNO-Bereich ausgerichtet werden“, so die BHS-Gründer.

Als Kundenkreis betrachtet das Unternehmen vor allem Krankenhäuser, medizinische Einkaufsgesellschaften und Ärzt:innen. Um die Anwender:innen von den Vorteilen ihres Produkts zu überzeugen, statten die Tiroler MedizintechnikTüftler mit ihrem RoboticScope auch Kliniken einen Besuch ab. Dort gewähren sie den Mitarbeitenden einen unmittelbaren Eindruck in die neue Technik und geben Schulungen am Gerät. „Gerade junge Ärzt:innen sind meist schnell von den Vorteilen des RoboticScopes überzeugt. Auch die älteren Semester, die bereits Beschwerden von einer langjährigen Fehlhaltung beim Operieren davongetragen haben, interessieren sich sehr für das Produkt“, berichtet der Geschäftsführer.

Zuversichtlich in die Zukunft

Bei all ihren Projekten legt das BHS-Team ein Augenmerk auf nachhaltiges Arbeiten und dauerhafte Wertschöpfung. „Als kleine Firma sind wir auf den Schutz unserer Ideen durch Patente angewiesen“, weiß Gregor Burger, „wenn man in Österreich gut durchdachte, innovative Ideen anmeldet, wird man aber zum Glück umfangreich unterstützt“, weiß der Co-Gründer die Patentförderungen, auf die das Unternehmen während der Entwicklung des RoboticScopes zurückgreifen konnte, zu schätzen.

In den digitalen Mikroskopen werden insgesamt etwa 1.500 Teile pro Gerät verbaut. Während das BHS-Team in ihrer Produktion die selbst entwickelte Technik, wie die Optik für den Kamerakopf und dem Roboterarm verheiratet, kommt auch die Software für das RoboticScope aus dem eigenen Unternehmen.

„Die Zahlen gehen bergauf“, freut sich Gregor Burger über die positive Entwicklung des Unternehmens. Denn die Vision der Firma hat sich seit ihrer Gründung nicht verändert: Mit innovativer Medizintechnik will BHS Technologies die Mikrochirurgie revolutionieren.

Weitere Infos: BHS Technologies